Donnerstag, 10. Dezember 2020

Fantasie und Wissen

Es ist Dezember, zwei Wochen bis Weihnachten. Der Handel hat wieder geöffnet, ich stehe wieder im Auktionshaus, der erste Schnee ist wieder verschwunden. Die Schauräume im ersten Stock sind behangen wie in Petersburg, die frische Wandfarbe verschwindet hinter unzähligen, perfekt ausgeleuchteten Interieurs, starren Winter-, Wald- und Wiesenlandschaften, unbekannten Damen- und Herrenporträts, liebevoll gepinselten Hausdoggen, Rennpferden und Wildschweinen: die Kunst des 19. Jahrhunderts kommt demnächst unter den Hammer.

Ich stehe im hintersten Raum, wir nennen ihn Karl Saal, prüfe, ob jedes Bild am rechten Ort hängt, als ich selbst an einem Gemälde hängenbleibe. Die anderen Werke lassen mich kalt, sind alle gut, aber ohne Geheimnis, doch dieses eine Bild, vor dem ich jetzt stehe, es ist anders, mehr; ich lese den Wandsticker, es stammt von einem Schweizer, Benjamin Vautier, nie gehört. Freudige Erwartung in der Stube hat er es genannt, 1874 datiert. Im Grunde ein typisches Bauernpanorama, eine ländliche Familienaufstellung, hundertmal gesehen – doch nur auf den ersten Blick: In der Stube sammeln sich die Kinder, vier Mäderln, zwei Buben, stehen beim Tisch, neben dem Kamin, und freudig, erwartungsvoll blicken sie nach draußen, durch die geöffnete Tür, die einen hellen und breiten Lichtstrahl ins braunrote Zimmer wirft – doch was die Kinder sehen, worauf sie sich freuen, das sieht man nicht; das Ziel ihrer geheimnisvollen Erwartung hat uns der Künstler bewusst vorenthalten. Alle Augen sind auf ein unsichtbares Außerhalb gerichtet, nur die alte Großmutter sitzt abseits des Lichts, sitzt dunkel am Kamin, und blickt in die andere Richtung. Warum dreht sie den Kopf nicht? Und worauf warten, worauf freuen sich die lächelnden Kinder bloß?

Vielleicht sind es die Eltern, die im Bild fehlen, die endlich nach Hause kommen; naheliegend. Aber vielleicht erzählt Vautier auch noch viel mehr: Die Kinder blicken allesamt nach vorne, sie sehen gespannt in die Zukunft, in all das Leben, das noch auf sie wartet, und sie freuen sich, freuen sich unendlich auf die helle Verheißung des Wenn ich groß bin, während das Großmütterchen sich am Kaminfeuer wärmt und gelassen zurückblickt – ihr Blick ins Leben schaut nicht in die Zukunft, sondern in die Gegenrichtung; sie hat bereits alles gelebt, kann jetzt entspannt in die Erinnerung schauen, ohne sich den Hals zu verrenken. Welches Bild hätte die Dualität von Jugend und Alter jemals besser beleuchtet als dieses vergessene Auktionsschnäppchen? 

In der Mittagspause sitze ich mit einem Kollegen in unserer eigenen Stube, dem winzigen Pausenraum, in dem es zu dritt schon zu eng wird. Doch in diesem Moment ist niemand hier, außer uns beiden, eine eigenartige Ruhe erfüllt den Raum, in dem sonst immer Hektik und Bewegung und gute Laune herrscht, und mein Kollege erzählt mir aus seinem Leben. Erklärt mir, er habe heute viel mehr Fantasie als noch als Kind. Weil ihm als Kind das Wissen gefehlt hat. Und Fantasie, sagt er, kann sich erst richtig entfalten, wenn man viel weiß. Je mehr Wissen man besitzt, desto endloser werden erst die Möglichkeiten, es zu verwenden.

Nach der Pause blicke ich wieder auf die Freudige Erwartung. Vielleicht ist es genau das, denke ich, vielleicht freuen sich die Kinder unbewusst auf all das Wissen, das sie noch erlangen werden, um damit ihrer Fantasie keine Grenzen mehr zu setzen. Sie freuen sich nicht bloß auf die Zukunft, die entgegenstrahlt, sie freuen sich auf das, was die Alte am Kamin bereits innehat: die Jahre, das Älterwerden. Sie fliehen nicht vor dem Alter, sie blicken ihm mutig, freudig, angstfrei entgegen. Weil sie noch nicht wissen, was sie erwartet.

Nach vorne schauen, das heißt auch immer: dem Tod ins Auge schauen. Und diese Konfrontation, das wusste Benjamin Vautier, sie übersteigt den Rahmen; sie wartet außerhalb des Bildes – in der Fantasie.

Freitag, 4. Dezember 2020

Der Koala

Er geht als Erster zu Bett und steht als Letzter auf. Er schläft zwölf, achtzehn, bald zwanzig Stunden am Stück, er verbringt mehr Zeit im Bett als in der Welt. Seine Welt ist das Bett, sein Himmel die Decke, der Schlafpolster ein Wölkchen; kein Wecker, kein Alarm, kein Krach, kein Sonnenschein kann ihn wecken; er schläft in die Tage, seit er ein Kind ist, er schläft besser als du und ich, weil er es ein Leben lang geübt hat, weil er nicht aufhört, auszuschlafen. Er ist ein Meister seines Fachs, und sein Fach ist der süße Schlummer, der tiefe Traum, die Genügsamkeit des Liegenbleibens. 

„Schlaf“, schreibt Hebbel, „ist genossener Tod“, und niemand versteht diesen Satz besser als er – er kennt alle Arten von Schlaf, hat sie alle verinnerlicht, und wenn er stirbt, dann kann ihn selbst der Todesschlaf nicht überrumpeln. Zu viel, zu sehr hat er zuvor genossen, um Angst vor dem ewigen, großen Schlaf zu haben. Zwanzig Stunden im Bett, in der Traumlandschaft, jeden Tag – das ist, das kann nicht notwendig sein, auf keinen Fall; das ist eine Entscheidung. Seine Entscheidung. Was lässt sich da noch erledigen? Was lässt sich erreichen? Er muss nichts erreichen. Er hat seine Bedürfnisse in den Traum gelagert, er braucht nichts, vermisst nichts, er wacht nur noch auf, um sich auf den nächsten Schlaf zu freuen; und das genügt ihm. Er schläft, um zu schlafen, schläft, um zu träumen. Weil er weiß, dass man schlafen muss, um zu träumen. Träumer, Schläfer, Faulenzer, nennt man ihn. Du bist wie ein Koala, wird ihm gesagt. Du verschläfst dein Leben, wirft man ihm vor. – Ich lebe den Schlaf, erwidert er. Und legt sich wieder hin.

Donnerstag, 12. November 2020

Sonntag, 8. November 2020

Fünf vor Sechs

Jeder, der jemals in Aufsicht oder Handel gewerkt hat, kennt ihn: den Typ Mensch, der immer fünf Minuten vor der Schließung kommt, der nur noch kurz einen Blick riskieren möchte, der sich dreimal sagen lässt „Wir schließen jetzt“, bevor er sich, höchst widerwillig, zum Ausgang bewegt, und dabei immer, immer, noch einmal stehenbleibt, um sich nur noch kurz dieses eine Bild anzusehen, nur noch ein Foto zu schießen, ganz schnell, natürlich, und vielleicht noch ein Blick auf die Uhr: Sie schließen doch erst in einer Minute. 

Letzten Samstag, im Auktionshaus: eine Dame kommt in die Schaustellung, die Zwischentüren schließen bereits. Sie fragt nach einem Künstler, nie gehört, ich verweise sie an den Katalog im Netz, leider, wir schließen schon. Ob sie nicht noch eine Runde gehen dürfe, sagt sie hartnäckig, sie wäre schließlich viel zu lange bei dem Schmuck hängengeblieben, der sie ja gar nicht interessiere. „Tut uns leid, wir schließen.“ Und ob bei den Möbelstücken nicht etwas Asiatisches dabei ist, fragt sie weiter, schielt an mir vorbei in die Ausstellung, ob sie nicht noch einen Blick riskieren könne. Ich bin versucht, mit ihr zu diskutieren, schließlich retten mich meine Kollegen: „Wir haben schon zu. Kommen Sie Montag wieder.“ Die Worte fallen wie die Tür ins Schloss, die Dame wendet sich wortlos ab, eine Beschwerde ist zu erwarten; ihr Menschentypus liebt Beschwerden.

Immer und immer wieder stoße ich auf diesen Typus, auf diese Damen und Herren, die das Prinzip der Öffnungszeiten nicht verstehen oder akzeptieren wollen, weil sie einfach nicht verstehen oder akzeptieren können, dass man für sie keine Ausnahmen macht. Es müssen Menschen sein, denke ich, die selbst nie an unserer Stelle waren, die niemals in ähnlicher Position gearbeitet haben wie eine Aufsicht; die Worte „Wir schließen jetzt“ empfinden sie als eine Art persönliche Anfeindung, eine Beleidigung, die speziell und ausschließlich gegen sie gerichtet ist, und sie können nicht nachvollziehen, können einfach nicht begreifen, warum wir nach acht Stunden in den schwarzen, durchgeschwitzten Dienstschuhen nicht noch ein paar Minuten für sie dranhängen. Weil sie nie in unseren Schuhen gestanden sind.

Es ist der Mangel an Erfahrung, der zu einem Mangel an Respekt führt. Nicht zu wissen, wie es ist, nach einem langen, ausgestandenen Tag nach Hause zu wollen, in der letzten Stunde schon jede Minute zu zählen, weil die Kniescheiben knirschen, der Magen knurrt, die Unfähigkeit, sich in eine Aufsicht hineinzuversetzen, die mit allerletzter Freundlichkeit zum Ausgang bittet, sie ist das Kennzeichen aller, die um fünf vor Sechs noch einmal durch die Ausstellung wollen, die alles immer in letzter Minute wollen; nur nicht gehen. Hätten diese Menschen nur einen einzigen ganzen Tag im Museum, im Schauraum, im Dienstanzug verbringen müssen, dann wären sie bereits ein anderer. Dann würden sie vielleicht verstehen (respektieren), dass vor den finalen Minuten viele Stunden standen, dass keine unnötige Strenge, kein persönlicher Affront in den Worten „Wir schließen“ steckt, und vielleicht, vielleicht würden sie dann in Zukunft sogar rechtzeitig kommen, um fünf Minuten vor der Zeit zu gehen. Von selbst. Aus Respekt.

Natürlich, die Hoffnung darauf ist gering. Was bleibt, ist die Möglichkeit, an ihrem Beispiel mich selbst zu prüfen: es ihnen nicht gleichzutun, wann immer ich privat durch Museumsräume, Buchhandlungen, Supermarktregale streife. Aus Respekt vor denen, die den Laden am Laufen halten, bis zum Schluss. Nicht länger.

Mittwoch, 4. November 2020

Wegen Renoir

Ich bin wieder hier; weil sonst alles schließt, weil selbst im Fürstenschloss keine Arbeit auf mich wartet, stehe ich wieder hier, wo ich schon im Winter vor zwei Jahren stand: im führenden Auktionshaus der Stadt. Es ist, wie jede Ausstellung, eine geschützte, zweite Welt, parallel zum Draußen, und doch ist vieles anders, vieles lockerer als im Museum, muss ich mich als Aufsicht wieder umstellen und die Reflexe unterdrücken: Rucksäcke, Schirme, Telefone? Alles unerheblich. Abstände? Völlig nebensächlich. Sämtliche Gemälde, Teppiche, Möbel und Skulpturen sind hier nicht schüchtern, verschämt, sie verstecken sich nicht hinter Abgrenzungen, sie hören keinen Alarm, sie wollen beschaut und berührt werden, geprüft, gewogen, liebgewonnen, bevor sie im Auktionssaal den Besitzer wechseln. Die Kundenfreiheit in der Vorbesichtigung ist die Grundvoraussetzung des Auktionshauses. Und seine Schwachstelle.

Es geschah wenige Tage, bevor ich das erste Mal hier stand, im November vor zwei Jahren; drei Männer gingen zielgerichtet in den ersten Stock des Hauses und betraten die Schaustellung. Neunzig Sekunden später waren sie verschwunden – und ein Renoir mit ihnen. Ich erinnere mich, erinnere mich deutlich an meine junge Kollegin (geflochtenes Haar, unfassbar freundlich), die an jenem Tag die Aufsicht hatte. Sie stand am anderen Ende des Raums, konnte die Aktion nicht sehen, nur hören, wie einer der Männer das Bild von der Wand nahm, es aus dem Rahmen drückte, in die Einkaufstasche, die der zweite aufhielt (wie die Kameras später zeigten), ehe sich alle drei im Treppenhaus verstreuten. Die junge Kollegin hat es mir erzählt, in jedem Detail, sie hat alles richtig gemacht, sofort den Alarmknopf gedrückt, die Täter waren dennoch schneller. Sie kannten alle Ausgänge, waren schon verschwunden, als die Sirenen eintrafen.

Zwei Wochen später wurde einer der Männer in Amsterdam gefasst, von dem Bild fehlt bis heute jede Spur. Finanziell hielt sich der Verlust wohl in Grenzen – die blasse Küstenlandschaft war kein Hauptwerk Renoirs, und wofür hat man auch Versicherungen – schlimmer war der Imageschaden für das Haus: Kein Tag in den folgenden Wochen, an dem nicht jemand über den Verlust scherzte, hohnlachend nachfragte. Die Berichterstattung tat ihr übriges; am schlimmsten aber war das Wissen um meine junge, freundliche Kollegin: Sie wurde noch am Tag des Diebstahls von der Polizei verhört, musste alles noch einmal durchleben, und obwohl sie keine Schuld traf, sie gar keine Schuld haben konnte, wusste ich, dass sie sich Vorwürfe machte; nicht, weil ich mich anmaßte, es zu erraten – ich wusste es, weil sie es mir sagte: In diesem furchtbar traurigen, gnadenlos neutralen Erzählton, der so viel stärker, ehrlicher ist als jedes ausgestellte Wort, mit dieser zurückgenommenen Stimme hat sie mir alles mitgeteilt, so selbstverständlich, als kannten wir einander schon seit Jahren. Sehr schwierig war das alles, sehr viel auf einmal, sagt sie, denn erst am Tag davor hat ihr Freund Schluss gemacht. Und sie fügt an, freundlich wie immer: „Das ist einfach nicht meine Woche.“

Als ich heute wieder hier stehe, in den Schaustellungen des ersten Stockes, sehe ich nur bekannte Gesichter, alle Aufsichten von damals erkenne ich wieder – nur eine fehlt. Später frage ich nach der jungen Kollegin mit den geflochtenen Haaren. Ja, heißt es, die sei noch hier, arbeite jetzt aber in einer anderen Abteilung. Ich hoffe, nicht wegen Renoir. 

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Gedanken am Feiertag

Es ist der letzte Montag im Oktober, es ist Nationalfeiertag. Normalerweise mag ich Feiertage, denn das bedeutet: doppeltes Gehalt. Doch heute gibt es keinen Dienst, überhaupt gibt es kaum noch Dienste in diesem Jahr, und ich kann oder darf den 26. Oktober ohne Arbeit, ohne Gehalt begehen.

Das Wetter drängt nach draußen, ich spaziere über die Straße, die man Balkanmeile nennt, und bei der Straßenbahnstation halte ich an, bleibe mit meinem Blick am serbischen Grill hängen: ein winziges Wirtshaus, dass schon seit Monaten geschlossen hat (laut verschmierter A4-Notiz wegen Renovierung). Ich blicke auf die ausgeblichenen, wenig einladenden Essensbilder an der bröckelnden Fassade, Serviervorschlag heißt das auf den Supermarktprodukten immer, doch es sind keine guten Vorschläge, die ich hier betrachte, es braucht einiges an Toleranz, Fantasie und Vorwissen, um die Bilder ihren kunstvollen Titeln zuzuordnen: „Grill Plahe“ steht unter einem, „Grill Wörsten“ unter dem anderen, und im rechten, unteren Eck, da gibt es sogar „Höhnerkeulen“.

Und einmal entdeckt, schlägt der falsche Buchstabe sofort in Poesie um: Ich stelle mir vor, es gibt einen Laden, in dem Höhnerkeulen verkauft werden; also Keulen, mit denen man sich gegen Höhner und Höhnerinnen verteidigen kann, neben der Spottschleuder das beliebteste Produkt im Laden. „Wer höhnt, wird gekeult“, so würde damit geworben werden, und es wäre staatlich akzeptiert, ja sogar empfohlen, sich für den privaten Gebrauch eine Höhnerkeule zu beschaffen, am besten eine kleine, kompakte für den Rucksack oder die Handtasche, um sich gegen alle möglichen höhnischen Bemerkungen am Arbeitsweg, in den Öffentlichen zu wappnen, die Höhnenden auch unterwegs in die Flucht schlagen zu können, weil man es sich nicht länger gefallen lassen würde, weil es endlich Allgemeinwissen wäre, dass Worte ebenso verletzten wie Hiebe, und jedes Spotten und Höhnen würde damit endlich eingedämmt werden, weil es sich die Höhnischen in Zukunft zweimal überlegten, ob sie einem Menschen hohnlachend begegneten, der eine Höhnerkeule bei sich führte, bereit, sich zu verteidigen.

Jahrelang bin ich an diesem Laden vorbeigegangen, doch erst heute, an diesem Tag ohne Gehalt, habe ich mir eine Höhnerkeule zugelegt. Vielleicht (sehr wahrscheinlich) werde ich sie nie verwenden; doch es tut gut, sie still bei sich zu wissen.

Freitag, 23. Oktober 2020

Der Ungestresste

Er kennt die Dachgeschosse, Keller, Heizkessel, Wartungsräume und Lüftungszentralen aller Museen, Palais und Auktionshäusern der Stadt; er kennt sie inwendig, er kennt sie auswendig; er installiert, er wartet, er prüft, er zertifiziert seit 45 Jahren, sorgt seit 45 Jahren sorgt, dass es im Winter warm und im Sommer nicht heiß bleibt. Und niemals, nie hat er sich in all der Zeit gestresst; höchstens am Anfang, in den ersten zwei, drei Jahren, und auch dann nur, wenn der Kunde versagte, falsche Angaben lieferte (immer scheitert es an der Kommunikation).

Er trägt Schnauzbart, ein blaues Firmenkapperl und einen Bauch vor sich, er verzichtet nie, niemals auf seinen obligaten, furchtbaren Automatenkaffee (er besteht darauf, dass ich auch einen nehme), er kommt nie in Hektik, er schwitzt nicht, muss nie überziehen. Er war bei der Feuerwehr, hat Jahrzehnte im Chor gesungen. Er redet gerne und viel, aber niemals schnell. Ob man zuhört oder nicht, ist ihm egal, er redet, wovon er reden kann, und das genügt. Und egal, was er sagt oder macht, er tut es gemächlich, bedächtig fast, mit stoischer Miene unter dem Schnauzer, so als hätte er nie gelernt, es eilig zu haben. Wut und Frust kennt er nicht, maximal Schmäh. Er verlacht Dilettanten, doch er beschimpft sie nicht. Er hat eine klare, einfache, vollkommene Philosophie, er lebt eine Lehre, die er in 45 Dienstjahren aufgestellt, verfestigt, verinnerlicht hat, und er teilt sie mit der Firmenaufsicht, mit mir, er weiht mich in sie ein, heute, jetzt, nach seiner letzten Lüftungswartung, während draußen vor der Tür die verwirrte Masse stündlich gereizter und gestresster unter ihren Masken keucht: „Stress hast nur, wenn dich nicht auskennst.“  

In fünf Wochen geht er in Pension. Der Gedanke liegt nahe, dass er sich auch darin sehr gut auskennen wird.

Dienstag, 20. Oktober 2020

Über Größe

Immer, wenn ich die Bibliothek des Fürsten durchgehe (in letzter Zeit häufig), sticht mir ein Buch ins Auge, eigentlich drei Bände, mit dem gold gestanzten Titel: Lexikon des gesamten Buchwesens. Von A bis zur Zyprischen Schrift ist hier alles verzeichnet, was die Literatur irgendwann irgendwo hervorgebracht hat. Zumindest stelle ich mir das vor. Ich weiß nicht, wer der Verfasser ist, er steht nicht am Buchrücken, und das Werk bleibt natürlich unantastbar, unfassbar hinter dünnem Maschendraht, doch allein die Vorstellung, irgendjemand hatte einmal den Plan, das Vorhaben gefasst, ein Buch zu schreiben, das alle Bücher umfasst, das ist so fantastisch, dass es eigentlich nur in der unendlichen Bibliothek von Borges Platz hat. Und doch gab es ihn, es gab den Menschen, der größenwahnsinnig genug war, um ein Lexikon des gesamten Buchwesens zu verfassen. In drei Bänden. 

Der Wille zur Größe ist womöglich der größte Unterschied zwischen Mensch und Tier; die Suche oder Sucht nach Herausforderungen ist so unantastbar menschlich, weil sie keine Notwendigkeit in sich trägt – Tiere und Träumer wandeln von einer Situation zur nächsten, werden gelenkt von Instinkt oder Inspiration, doch der Mensch, der nach Größe strebt, will sich nicht lenken lassen; er hat einen Plan. Einen persönlichen, vermeintlich absurden Plan, und den verfolgt er oder sie mit unfassbarem, unerklärlichem Willen. Warum auf den K2 steigen, warum den Mars bereisen, Atome spalten, warum siebenhundert Seiten Leopold Bloom, warum ein Lexikon des gesamten Buchwesens schreiben (dessen Titelverheißung heute wohl gleichkäme mit einem Archiv aller Webseiten)? Unter den unendlich vielen Antwortmöglichkeiten, die jeden Willen zur Größe erklärten und selbst in kein Buch passten, gefällt mir diese immer noch am besten: Weil es niemand davor gemacht hat. Weil es die Chance in sich trägt, in einer Sache Erster zu sein. Das ist das Paradox, das im Streben nach Größen steckt: Die Lieblingszahl des Größenwahns ist die Nummer Eins.

So eine kleine Zahl für so große Ziele.

Samstag, 12. September 2020

Die schwarze Venus

Ein Bild, dem ich immer begegne, wenn ich im Fürstenschloss meine Runden drehe, ist die Venus im Spiegel von Peter Paul Rubens. Natürlich ist sie von Rubens, muss es sein, nur von ihm kann so eine fleischige, dralle, überquellend üppige Fantasie einer idealen Göttin stammen. Sie zeigt mir den nackten Rücken, während Amor ihr den Spiegel hält, ihre Lippen sind voll, ihr Blick sieht zu mir, kokettiert mit dem Betrachter. Sie ist das Vorbild aller Pin-Ups, die Idealvorlage heutiger Netzmodelle, die alle nach ihrer Pose suchen: Blick über die Schulter, Schmolllippen, die unnatürlichste Pose der Welt. Sie alle inszenieren sich, posieren für den Effekt, von dem sie wissen, dass sie ihn erzielen: einmal das Ideal festhalten, einmal nur Venus sein. Doch in Rubens’ Meisterwerk steckt mehr als die vordergründige, eitle Göttin, da ist noch etwas, das den vielen Insta-Quadraten abgeht, ein Detail, kaum sichtbar auf den ersten Blick: rechts oben im Eck, da ist eine dritte Person – Amor hält Venus den Spiegel, doch ihr goldenes Haar, das hebt ihr die schwarze Magd.

Rubens hat sie dort hinten ins Bild gepinselt, im Grunde nur, um die strahlende, makellos helle Schönheit der Venus noch zu betonen, die Kontraste zu erhöhen, doch für mich ist sie die eigentliche Augenweide; sie betrachte ich zuerst, wenn ich auf das Bild blicke, und obwohl (oder weil) Rubens sie so grob in die Dunkelheit setzte, ein paar aufhellende Akzente um den Mund geschmiert, erscheint sie mir wahrhaftiger und lebendiger als die starre Perfektion der goldgelockten Göttin, jeder Göttin.

Dieses flüchtige Profil, ihre ausgeprägte Wange, die Nase, ihr bedächtiger, uneitler Blick, alles an der dunklen Unbekannten, der namenlosen Magd wirkt auf mich betörend, ja, natürlich schön – sie repräsentiert eine Natürlichkeit, die den überhöhten Darstellungen seiner Zeit voraus war (meiner Zeit voraus ist), formt eine zeitlose Schönheit, die sich nicht in den Mittelpunkt drängen muss, weil sich wahre Schönheit niemals aufdrängt. Und deshalb ist sie für mich das eigentliche Ideal.

Der Künstler bestimmt die Darstellung, aber ich bestimme, was ich darin sehe. Und mit jeder Runde durch die Sammlung sehe ich diese heimliche, schwarze Venus – über dreihundert Jahre vor Pan Yuliangs Aktkritik in Schwarzweiß – diese unbewusste Schönheit, die sich ein Leben lang im Hintergrund hält, die überhaupt nur im richtigen Licht gesehen werden kann – und mir jedes Mal den Tag erhellt, weil sie etwas besitzt, dass allen fehlt, die so verbissen nach der perfekten Pose streben. Sie weiß nicht, ist sich dessen nicht bewusst, dass ich sie ansehe, denkt gar nicht daran, was sie in mir auslöst, hat keinen Drang, sich zu inszenieren. 

Das Ideal liegt nicht im Spiegel, es liegt im Hintergrund; dort ist das Schöne zu suchen. Dort existiert es, immer und jederzeit, noch wenn der letzte Spiegel zerbrochen ist. Denn Rubens' Magd, seine heimliche schwarze Venus muss sich niemandem präsentieren, sich niemals schön machen; sie ist es.

Mittwoch, 17. Juni 2020

Zwischenfälle

Im Museum muss man auf alles vorbereitet sein – jemand hat mir das mal gesagt, so ein Unsinn. Ich bin nie auf alles vorbereitet, kann es gar nicht sein, und selbst wenn ich es wäre, könnte ich im Moment niemals so sein wie in der Vorbereitung, weil die Realität sich nie an meine Vorstellungen hält. Jede Not, jede Tragödie, alle guten Geschichten entstehen doch überhaupt nur, weil etwas passiert, auf dass jemand nicht vorbereitet war.

Es ist ein Freitag, an dem ich eine weitere Führung durch die Fürstensammlung begleite, eine Routinearbeit, dutzende Male durchgegangen, ohne Zwischenfälle, immer mit der militärischen Meldung; keine besonderen Vorkommnisse. Die Gruppe heute umfasst fünfundzwanzig Gäste, die Kunstvermittlerin geht voran, ich bilde das Schlusslicht, halte die Gruppe zusammen, wie immer, passe auf, dass in den privaten Prunkräumen jeder und jede auf dem roten Teppich bleibt, der über drei Millimeter dünnem, unbezahlbaren Thonetparkett verlegt ist. Er ist schmal, der Teppichpfad, zieht die Gruppe in die Länge, macht es mir schwer bis unmöglich, alle im Auge zu behalten. Zu viele Menschen auf zu wenig Raum, das gewohnte Bild. Doch an diesem Tag stimmt etwas nicht mit diesem Bild, tritt plötzlich ein Fehler ein, auf den mich nichts, niemand vorbereitet hat. 

Ich verlagere meinen Stand auf die Schuhspitzen und überblicke die Köpfe vor mir. Plötzlich löst sich ein Kopf aus der Masse, verlässt die Gruppe und bewegt sich in den nächsten Raum, das fürstliche Schreibzimmer, bewegt sich wankend, aber zielgerichtet auf den eschenbraunen Schrank zu, bleibt nicht stehen, wird schneller, schneller, ein Krach, ein Aufprall, ich stehe hilflos hinter den Körpern, der Blick versperrt von der Gruppe, ich bin zu spät, wie immer.

Sekunden später, die Gruppe aufgelöst, zerstreut, im Schreibzimmer liegt eine Frau, die Brille völlig verbogen, wie in einem Comic, ich blicke zum Schrank – im Eschenbraun der Zierleiste ein Kratzer auf Augenhöhe, ein Kratzer in einem der wertvollsten Bücherschränke des Planeten, die Frau am Boden umringt, wir helfen ihr auf, sechs Hände lagern sie, ihre Beine sinken wieder ein, sie bleibt am Boden sitzen. Über Funk fordere ich den Portier an, bücke mich hinunter zu der Benommenen, da hält mich die Kunstvermittlerin an, völlig aufgelöst, überfordert. „Jetzt haben wir noch ein Problem“, sagt sie, und hat nichts verstanden, „einer der Gäste ist ohne Aufsicht auf Toilette gelaufen!“

Manchmal, denke ich, selten, aber doch, verhält sich das Leben wie in einer von Daniil Charms skurrilen kurzen Fall-Geschichten. Das Groteske, Wahnwitzige tritt dann ganz selbstverständlich in den Alltag und konfrontiert mich mit einer akuten absurden Situation, auf die ich nicht vorbereitet bin, es nicht sein kann, weil sie aus dem Bühnendunkel springt, ohne auf ihren Einsatz zu warten. Selten, aber doch, lässt sich ein Zwischenfall dann so beschreiben, als hätte Charms ihn geschrieben: „Da ging einmal eine Gruppe Kunstinteressierter durch ein Museum. Plötzlich nahm eine Alte ihre Beine in die Hand und rannte – zack! – mit den Brillengläsern gegen einen Schrank. ‚Verrückte Brille!’ dachte Semjulkov und lief augenblicklich auf Toilette.“

Selten, aber doch, wirft mich etwas völlig abrupt aus meiner Routine oder meinen Gedanken und mitten in die Überforderung eines traumartigen Falls, der normalerweise nicht eintritt. Der Portier hat die Dame schließlich abgeholt, an die frische Luft gebracht, sie erholte sich schnell, trank einen Schluck, ihre Brille blieb schief. Der Herr von der Toilette kam brav wieder zurück. Der Kratzer am Schrank wurde gemeldet und notiert. Die Führung beendet, die Prunkräume geschlossen, mein Dienst getan.

Das alles geschah vor zehn Monaten. Der Kratzer ist noch da; und ich denke immer noch an diesen einen Moment, als sich die Frau von der Gruppe löst und geradeaus gegen den Schrank läuft, immer noch erscheint mir dieser Moment, dieser charmssche Zwischenfall vor Augen, wenn ich die nächste Freitagsführung durch das Schreibzimmer begleite. Bis heute versuche ich zu begreifen, warum sie es getan hat, denke darüber nach, wie ein Schwächeanfall, eine Beklommenheit einen Menschen dazu führt, mit schnellen, immer schnelleren  Schritten – zack! – gegen starres Mahagoni zu rennen.

Es gibt keine befriedigende Antwort darauf; nur die Sicherheit, dass so ein Zwischenfall wieder eintreffen wird, weil das Unwahrscheinliche, Groteske, der absurde Fall, auf den sich niemand vorbereiten kann, im Leben einfach vorkommt. Selten, aber er kommt vor.

Sonntag, 7. Juni 2020

Das Richtige im Falschen

Es gibt Dinge, die gehen über den Verstand. Die Perspektivmalerei zum Beispiel. Heute stehe ich in der Galerie 3 im Fürstenschloss, einsam, und bewache den Notausgang (wie das klingt: einen Notausgang bewachen). Das Haus ist so einsam wie ich, die Veranstaltungen stehen weiter aus, nur zwei Arbeiter im Erdgeschoss, die im Bodenmarmor Steckdosen verstecken, hinterm Notausgang Spachtelmasse mischen; deshalb die Aufsicht. Deshalb ich.

Der Raum, in dem ich stehe, ist quadratisch, mein Blick steigt zur Decke: über mir erstreckt sich ein Fresko auf schwach gewölbtem Stein, das die Illusion einer Kuppel erzeugt. Durch aufgemalte Säulen, Tore, Arkaden und Nischen, in denen Madonnen und Soldaten von Puttis umflogen werden, soll sich ein dreidimensionaler Effekt einstellen – eine Tiefe, wo keine ist. Quadratura sagt der Italiener zu dem, das ich nicht begreifen kann. Stehe ich exakt im Zentrum und blicke nach oben, ist das Bild perfekt, erscheint jedes Detail im idealen Maß; bewege ich mich, weiche vom Zentrum ab, bewegt sich das Bild mit mir – gemalte Säulen biegen sich, nackte Beine wachsen an, Römer schrumpfen, Gesichter verzerren sich, ihre Ausdrücke. Das Motiv wird fluide mit jedem Schritt, fließt vor meinen Augen auseinander, wie in einem Trip; zurück im Zentrum ist es wieder vollkommen.

Alles in diesem Deckenbild, jeder Strich, jeder Punkt, jeder Gedanke ist nach dem Zentrum ausgerichtet. Jeder Winkel muss stimmen, damit die Illusion perfekt ist – und hier schaltet mein Verstand ab. Denn  das Bild stimmt nur von hier unten, weil es von hier gesehen werden will; aber dort oben, wo es gemacht wurde, kann es nicht stimmen, muss völlig unproportional, verkürzt, verzogen sein. Der Künstler musste so malen; er musste wissen, dass es nur dann perfekt sein wird, von dort betrachtet, wo ich jetzt stehe. Hier, im Zenit, ist es richtig. Dort, im Prozess, ist es falsch. Der Künstler muss also bewusst die falschen Proportionen wählen, er muss da vorstehende, nackte Knie der Madonna bewusst zu kurz malen, damit es aus meiner Sicht richtig aussieht (und er muss es blind tun: im Gegensatz zur Leinwand fehlt ihm die Möglichkeit zum Abstand).

Der Freskomaler, der Meister der Quadratura, muss das Falsche einberechnen, es minutiös planen, sich dafür entscheiden, alles Gelernte an der Decke umzuwerfen, damit es am Boden stimmt – was er erst mit der Vollendung wissen konnte. Handwerk ist das eine, das andere ist unendliches Vertrauen in das Falsche, blind, verzerrt zur Meisterschaft zu finden. Um über meinen Verstand und in die Annalen einzugehen, über meinem Kopf, außerhalb der Zeit.

Das, denke ich, ist der Unterschied zwischen Leben und Kunst: Es gibt kein richtiges Leben im falschen, doch es gibt richtige, wahre, große Kunst, die nur über das Falsche führt.

Dienstag, 2. Juni 2020

Mittwoch, 20. Mai 2020

Mary Shelleys Titelwahl

Ich lese Frankenstein. Zum ersten Mal lese ich diese barocke, gefühlige, seltsam blumige Horrormär um den modernen Prometheus, der scheitert, scheitert, sehr schlecht scheitert. Es ist ein komisches Gefühl, ein Buch zu lesen, dessen Inhalt sich in der Popkultur längst verselbstständigt hat, es ist, als würde man heute zum ersten Mal den Paten schauen: Man kennt das Werk schon, bevor man es sieht, weil die unzähligen Zitate, Variationen, Anspielungen in der Kulturlandschaft den Inhalt schon vorwegnehmen, und sich beim ersten Schauen bereits an jeder Ecke Wiedererkennungseffekte einstellen. Und dann staunt man verwundert, wenn das Original plötzlich von seinem Kanon abweicht; wenn da gar kein Blitz im Buch ist, wenn man gar nicht explizit erfährt, wie der junge Viktor sein Ungeheuer belebt (ein wunderbarer Kniff der jungen Autorin: sich aus vorgeblicher Angst vor Wiederholungstätern vor der wissenschaftlichen Erklärung des Unmöglichen drücken), wenn das Monster gar nicht grün oder weiß oder kurzhaarig ist und gar keine Schrauben im Hals hat, sondern gelbe Augen und glattes, brustlanges, schwarzes Haupthaar (und dadurch mehr wie ein metallischer Lord der Finsternis wirkt). Vor allem aber staune ich, wie wenig ich trotz allem Vorwissen über die eigentliche Hauptfigur gewusst habe, über die Figur, die der Schauerprosa ihren Titel verleiht. Und selbst dieser führt heute zur Verwirrung, nicht selten zum Irrglauben, bei dem Namen Frankenstein handle es sich um das gemachte Wesen, das sich gegen seinen Schöpfer auflehnt, wie es die unzähligen, nachgezogenen Verfilmungen und Zeichentrickserien suggerieren. Nichts könnte falscher sein.

Denn es scheint einen guten Grund zu haben, warum Mary Shelley ihren Roman nicht „Frankensteins Monster“, sondern eben „Frankenstein“ getauft hat: Es geht in erster Linie nicht um das würgende Flickenwesen, das bewusst namenlos bleibt, es geht um seinen Erschaffer, der es von sich stößt, noch im selben Moment, in dem er sieht, was er vollbracht hat. Shelley war neunzehn, als sie den Frankenstein schrieb, ihr Antiheld ist kaum älter, als er mit Leichenteilen handhabt. Doch wer ist eigentlich dieser Viktor Frankenstein?

Ein hoch gebildeter, junger Mann, fehlgeleitet von den falschen Leitbildern aus überholter Lektüre, besessen von dem Gedanken, tote Materie zurück ins Leben zu holen. Soweit bekannt. Doch er ist auch sehr dumm, dieser Gebildete. Er flieht vor seiner Schöpfung schon beim ersten Anblick, erschrocken von der Hässlichkeit, die er selbst gewählt hat, er flüchtet vor der Kreatur, die noch lange nicht böse ist (die Erfahrung macht sie erst dazu), er wundert sich, wenn seine Familie nach und nach gemeuchelt wird, obwohl er dem Hässlichen seinen einzigen Wunsch nach einer Leichen-Eva verweigert, überhaupt verweigert er die Realität, durchgehend verweigert er sie, ist noch dann überrascht, wenn seine Angetraute in der Hochzeitsnacht erwürgt wird, obwohl der Hässliche es schon Wochen zuvor klipp und klar angekündigt hat – kurzum: In der Figur des Viktor Frankenstein tauchen mehr Ungereimtheiten als in der Bibel auf. Permanent trifft er unverständliche Entscheidungen, hegt einen unbegründeten Hass auf die eigene Schöpfung, bleibt vollkommen unfähig und untätig darin, seine Liebsten zu schützen und den Würger aufzuhalten, es krankt vorne und hinten an jeglicher Konsistenz und Logik im Verhalten dieses endlosen Unsympathisanten. Und genau dieser Punkt, ob bewusst oder unbewusst geschaffen, ist die vielleicht reifste Leistung der jungen Mary Shelley.

In der zentralen Szene im Buch trifft der Schöpfer zum ersten Mal nach Jahren – und dem ersten Mord – auf seine verstoßene Kreatur. In einer verschneiten Berghütte erzählt sie ihm (mit verstörender Eloquenz und unnötiger Detailfreude) ihren verfluchten Werdegang zu dem, was sie immer schon darstellte, in den trüben Augen der Menschen; nach den sturen Regeln der Selbsterfüllung ist sie geworden, was alle in der Kreatur sehen: ein Tier, ein Ungeheuer, ein Unmensch, zu allem fähig. Das Erstaunliche daran ist, ich kann den Unmenschen in jedem Moment verstehen. Ich kann seine Beweggründe, sein Verhalten jederzeit nachvollziehen, besser und klarer nachvollziehen als jeden einzelnen Gedanken seines weinerlichen Schöpfers. Denn dieser Viktor Frankenstein ist ein irrationaler, inkonsistenter Mann, der seine Familie untätig ins Verderben stürzt und sich bis zum Schluss noch darüber wundert, wie ein argloses, sadistisches Kind, das einer Fliege die Flügel ausreißt und sich dann fragt, warum sie nicht mehr fliegt.

Deshalb die Verwirrung um den Titel, der so perfekt gewählt ist: Weil Frankenstein das eigentliche Monster ist, auch wenn es nach außen hin eine schöne, studierte Menschengestalt aufweist. Die Verdrehung von Macher und Monster, sie ist der wahre Reiz an diesem Werk, unter dessen sprachlicher Blumenwiese die erdige Erkenntnis bleibt: Ich verstehe eine gallige, gelbäugige Leichenkreatur besser als den Menschen, dieses mysteriöse, abwegige, so selten nachvollziehbare Wesen. 

Montag, 24. Februar 2020

Brief an Homer


In der Bibliothek des Fürstenpalais stehen 28 eschenbraune Holzbüsten bedeutender Dichter, Denker, Draufgänger, Geschichtsschreiber (klarerweise männliche, ausschließlich), sie heißen Cato oder Hannibal, Diogenes, Euripides, Sokrates, Hippokrates, Demokrit oder Epiktet, Voltaire (der einzige, der lächelt), Montesqueu, Leibnitz oder Homerus.

Ich betrachte sie jedes Mal, wenn ich die Führungsgruppe durch das Bücherreich begleite, sie um Abstand bettle, die Unsterblichen auf ihren Sockeln verteidige. Und jedes Mal bleibt mein Blick bei Homer hängen, bei dem Kopf des größten Dichters, der je gelebt haben soll. Ich blicke ihn an und fühle, etwas stimmt nicht mit diesem Kopf. Er passt nicht zu anderen, lebensechten Proportionen seiner Kollegen, er ist eine Spur zu groß; nicht sehr, doch groß genug, um aus dem Rahmen zu fallen. Es zu bemerken. Ein aufgedunsener, ballonartiger Wasserkopf, und selbst wenn Homer der größte war, diese Darstellung ist übertrieben, ist im Vergleich einfach zu groß. Diese Büste, diese Visage, der altgriechische Heißluftkopf, er stößt mich, irritiert; er macht verdächtig. Was, wenn die Darstellung falsch ist, wenn sie nur falsch sein kann, weil wir gar nicht wissen, wie Homer ausgesehen hat? Und wenn kein verlässliches Bild überliefert ist, was können wir dann überhaupt über den Dichtergott sagen? Homer, wer ist das?

Wenn der Dichter hinter seinem Epos verschwindet (wie der Bote, der mit Überbringen der Botschaft stirbt), so muss er doch davor existiert haben – er musste jemand gewesen sein. Doch wie der Barde von Stratford bleibt auch Homer ein universelles Phantom – er ist alle und deshalb niemand. Die List des Odysseus beim Zyklopen, sie ließe sich auch auf seinen Schöpfer anwenden: Niemand hat die Odyssee geschrieben.

Theorien, wer dieser Niemand war, existieren zuhauf, werden bis heute diskutiert. In Literatur und Popkultur hat er sehr unterschiedliche Gesichter: bei Borges ist er ein Unsterblicher, der nach Jahrhunderten vergessen hat, Homer zu sein, im amerikanischen Serienepos nach Matt Groening ist er ein gelber Familienvater mit vier Fingern, und in David Marksons postmodernem Kunstroman und Ein-Satz-Diktat Wittgensteins Mätresse besteht die Möglichkeit, dass Homer eine Frau war. Er könnte auch beides gewesen sein – Mann und Frau, ein Ehepaar, ein paar Frauen, ein Männerverein, einer, der anonym bleiben wollte, eine, die keine sein wollte. Denkbar ist alles, sicher ist nichts.

In gängigen Darstellungen wird Homer mit vollem Bart, plattem Haupthaar und schmalem Stirnband gezeigt, so auch im Kunstspeicher des Fürsten. Doch diese aufgeblasene Unproportion in der Bibliothek macht ihn mir echter, authentischer als in allen anderen Bildzeugnissen. Gerade weil das Gesicht falsch wirkt, eine Spur zu groß, ein seltsames Melonenhaupt, gerade deshalb sehe ich Homer darin. Denn ich stelle mir vor, wer auch immer diese Büste gefertigt hat, wusste nicht sicher, wie Homer aussah; und deshalb hat er in der Darstellung einen Hinweis versteckt. Er hat die Größe übertrieben, hat den Meerwasserkopf ganz bewusst aufgedunsen, um zu zeigen, dass es nicht der eine, echte Homer sein kann, den ich heute betrachte. Die Präzision des Falschen ist immer noch falsch, doch ein unproportionaler Ballon schafft Raum für die Wahrheit, nämlich, dass Homer kein Gesicht hat, das sich darstellen lässt. Die Möglichkeit besteht, dass Homer aussah wie du oder ich oder wie wir, und jedes Mal, wenn ich seine zu große Eschenholzbüste betrachte, lächle ich wie Voltaire, weil ich weiß, dass ich nichts sicher weiß.

Dienstag, 11. Februar 2020

Nicht normal


Normal ist gefährlich, lese ich jeden Tag, wenn ich im Untergrund auf die Bahn warte, auf der Werbefläche zwischen fernöstlicher Küchenempfehlung und Abtreibungshilfe; es ist die Kampfansage einer neuen Universität für Design und sonstiges, und natürlich ist sie ein Witz, aber einer, der trotzdem etwas auslöst, mich zum Nachdenken zwingt: Normalität, was ist das? Eine Konvention? Kulturgut? Jedenfalls ein Paradox: jeder möchte besonders sein, aber niemand will als nicht normal gelten. Oder nicht?

Ich erinnere mich an einen Moment; eine Sekunde im Museum, die nicht normal war. Es ist schon Monate her, ein Jahr vielleicht, ich stehe in dem winzigen, kalten Schmuckkästchen auf Abruf, einer meiner seltenen Dienste im diesem Haus, dort, wo wir zu zweit ein ganzes Objekt bewachen, eine Haupt- und eine Nebenausstellung, letztere gerade eröffnet, ein offener weißer Raum für junge Kunst von der Uni, monatlich wechselnd; eine wunderbare, einzigartige Plattform (die es heute nicht mehr gibt) für aufstrebende, lokale Künstler und Künstlerinnen, eine erste Chance, in der Szene Fuß zu fassen und Hände zu schütteln.

Wie immer ist nichts los, wie immer finden keine Massen in die versteckte kleine Wunderkammer hinter dem Rathaus. Ich sitze an der Kassentheke, nippe am Kaffee und helfe bei der hausinternen Sisyphusarbeit, Kulturberichte aus einem nicht enden wollenden Zeitungsberg zu schneiden, da betritt eine junge Frau das Museum. Sie ist klein, aber nicht unscheinbar, trägt das brünette Haar kurz, weil es ihr steht, wirkt stilbewusst, aber nicht exaltiert. Ich stehe auf, sie kommt in Begleitung, wird von ihr vorgestellt: sie ist die Künstlerin. Die Nebenausstellung, es ist ihre.

Sie tritt auf mich zu und streckt die Hand aus; ich ergreife sie, sage meinen Namen. Und dann passiert etwas, das ich normalerweise nicht erlebe. Etwas, das aus dem Rahmen der Begrüßung fällt, auf den unnormierten, warmen Grund der Freiheit: Wir schütteln die Hände und sie sieht mich an, sie sieht mir in die Augen, doch sie tut es eine Sekunde länger als gewöhnlich. Und es genügt: diese eine Sekunde, sie ist der Unterschied, die Alltagsstörung, die mir die Künstlerin schenkt, die mich überrascht und überfordert. Wie sie eine unsichtbare Aufsicht mit ehrlichen, interessierten Augen ansieht, nur einen Moment zu lange, um ihn nicht nicht empfinden zu können, wie alle Male sonst, wo der blinde Handschlag sofort in Vergessenheit gerät. Normalerweise.

Doch dieser eine, eine Spur zu lange Blick der jungen, stillen, unprätentiösen Künstlerin, dieser offene, zart freundliche Blick, ihn kann ich nicht vergessen; er bleibt hängen, weil er nicht normal ist, weil wir einander normalerweise nur kaum bis gar nicht ansehen. Wirklich von jemandem gesehen zu werden, das ist so irritierend, so erfrischend, so ungewöhnlich, dass es weh tut. Und es ist ein wundervoller, stiller, kleiner Schmerz, ein überraschender Nadelstich durch die angestaute Hornhaut der Normalität.

Ich weiß bis heute nichts über die Künstlerin, habe sie nie wieder gesehen; doch ihr zu langer Blick an diesem Tag, wie sie mich angesehen hat, diese eine, ungewöhnliche Sekunde habe ich bis heute vor Augen, sehe sie wieder im Dunkeln, nach Monaten, vielleicht einem Jahr. 

Und das, denke ich, kann einfach nicht normal sein; wirklich nicht.

Donnerstag, 6. Februar 2020

Die Frau ohne Eigenschaften

Die Anekdote ist bekannt: ein verschmitzter Künstler (sein Name blieb nicht hängen) schickt ein anonymes Manuskript an einen renommierten Verlag, wird abgelehnt und stellt damit den Betrieb bloß; das Manuskript war ein Auszug aus Musils Der Mann ohne Eigenschaften. Es ist eine gute Anekdote, eine, die man immer wieder erzählen, mit der man auftrumpfen kann; sie ist nur völlig falsch. Ihr Inhalt mag stimmen, aber nicht ihre Pointe: nicht der Betrieb stellt sich bloß, sondern nur der Künstler.

Niemanden kann es interessieren, wenn die Kunst ihre Vorläufer kopiert. Ein Zögling, der pausenlos den Lehrer zitiert, sagt nie etwas Eigenes. Er sagt, was wir schon wissen, er überrascht nicht, und was nicht überrascht, ist keine Kunst. Zu glauben, als Unbekannter Musil kopieren zu können und abgeschmettert zu werden, erzähle irgendetwas über den Betrieb, das bedeutet, nichts verstanden und Musil nicht gelesen zu haben (also: nicht genau gelesen). Niemand würde heute verlegt werden, würde er oder sie heute genauso wie Robert Musil schreiben. Was einfach daran liegt, dass es Musil schon gibt.

Umberto Eco, der größte Leser nach Borges, hat das am schönsten hervorgekehrt  in einem späten Vortrag über das Verhältnis von den alten Riesen und den Zwergen, die auf ihren Schultern sitzen, dabei weiter sehen. Dieses märchenreiche Bild der Generationen geht zurück auf einen französischen Platoniker des zwölften Jahrhunderts, Bernhard von Chartres, ein Mann des Mittelalters, Freund der Sprache, der seinen Schülern vorwarf, „dass sie die antiken Autoren sklavisch kopierten, und sagte, die Herausforderung sei nicht, genauso zu schreiben wie sie, sondern von ihnen zu lernen, wie man genauso gut schreibt wie sie, damit die nach uns Kommenden sich an uns orientierten, so wie wir uns an den Vorfahren orientierten.“ Bernhards Bemerkung sei folglich (nicht weniger als) ein „Appell an die Autonomie und den Mut zur Innovation.“

Man könnte auch Emanzipation sagen, denn natürlich muss man Robert Musil kennen, um nicht Musil sein zu wollen – aber genauso gut. Ohne Eltern kann man nicht gegen sie rebellieren. Ohne Vorbilder kann man sie auch nicht hinter sich lassen. Ohne Homer kein Bloomsday, ohne Antike kein Jugendstil.  Der Sohn muss sich vom Vater abnabeln, er muss riskieren, verachtet zu werden, weil er sich abnabelt, nicht anders kann. Bernhards Bild der Riesen und Zwerge (Väter und Söhne), das Eco bis zur Postmoderne dupliziert, fehlt nur noch dieser kleine, doch entscheidende Hinweis: Die Zwerge auf den Schultern der Riesen sehen nicht bloß weiter, sie sehen anders.

Rubens’ fleischige Venus wurde einmal als zellulitische Beleidigung des Auges betrachtet, heute muss ich sie im Palais vor Fotos schützen. Monets stille Impressionen machten einmal schreiend und aggressiv, heute zieren sie Kalender und Bettwäsche. Niemand wird als Riese geboren, und niemand weiß, wie groß er einmal wird. Auch Monet und Rubens und Musil und alle anderen Riesen waren einmal Zwerge, die bloß anders sahen; ihr Blick stieß vor den Kopf, und nur deshalb blieben sie im Gedächtnis; nur deshalb wurden sie genauso gut wie ihre Vorfahren. Weil sie überraschten. Weil sie Verachtung in Kauf nahmen, anstatt Verjährtes aufzuwärmen.

Und was für die Söhne gilt, gilt natürlich auch für die Töchter. Ich kann Mann, ich kann Musil heute nicht genauso empfinden, wie sie in ihrer Zeit empfunden werden mussten, aber ich kann mich an ihnen orientieren, um von ihnen wegzukommen. Niemand fragt nach einem zweiten Mann ohne Eigenschaften; aber vielleicht, vielleicht schreibt einmal jemand Die Frau ohne Eigenschaften, vielleicht sieht jemand so weit und so differenziert, dass er oder sie ein genauso großes, größenwahnsinniges Projekt angeht, das sich in einer angstfreien, neuen, überraschenden Sprache von dem eigenschaftslosen Mann emanzipiert, den es benötigt, um von ihm loszukommen. Nur dann würden sich die  Kommenden vielleicht an dieser Frau ohne Eigenschaften orientieren. Nur dann würde es etwas erzählen, wenn der Betrieb sie einst abgeschmettert hätte.

Dienstag, 28. Januar 2020

Fragment eines Museums der Zukunft

„Endlich“, sagt mir die blonde, bebrillte, finnische Kollegin an einem ersten Diensttag im neuen Jahr, „endlich ist es vorbei.“ Die Rede ist nicht vom letzten Jahr, sondern von der letzten Ausstellung; von Dürer. Die neuen Zwanziger sind noch keine Woche alt und schon fällt der Ballast ab, strahlt die Kollegin in ehrlicher Erleichterung, endlich, endlich ist es vorbei, das Gedränge durch diese einzigartige Jahrhundertschau (nach den einzigartigen Jahrhundertschauen von Raffael, Rubens, Brueghel, …), endlich muss die Kollegin sich nicht mehr klein machen zwischen Dürers Meisterschaften und den Touristenscharen, die sie sehen, konsumieren, ablichten, abhaken wollen.

„Zum Ende hin“, sagt die Kollegin, „da war es nicht mehr auszuhalten. Die Leute, diese vielen Leute, sie sind einfach zu nah gekommen.“ Ich nicke, kenne das, natürlich, die Wut über den fehlenden Respekt, dem fehlenden Abstand, doch die Rede ist nicht von den Kunstwerken – sie spricht über sich. Die Leute sind am Ende ihr zu nahe gekommen, sie haben keinen Abstand zu ihr eingehalten, weil die Hallen und Gänge von Körpern überfüllt wurden, zugestopft mit unbegrenztem Andrang. Ich sehe, sie hat ernsthaft gelitten unter der bedrängenden Nähe, erdrückt von einer Masse, die den Museumsgedanken im Raum verdrängt. Hier, im Ausnahmezustand einer Dürerausstellung, hier geht es nicht mehr darum, die Kunst zu schützen; es gilt, sich selbst zu schützen.

Und hier beginnt das Museum der Zukunft (oder eher: ein Fragment davon). Ich stelle mir vor, in Zukunft wird es eigene, zusätzliche Aufsichten geben, die nur dafür da sind, jene Aufsichten zu beschützen, welche die Kunstwerke bewachen. „Bitte Abstand halten vom Sicherheitspersonal“, würden sie sagen, und sie würden freundlich, aber bestimmt dazwischen gehen, wenn die nächste norditalienische Reisegruppe eine finnische Aufseherin beengte, für die so viel ungewollter Körperkontakt der Albtraum ist (wie es für Dürer der Albtraum sein muss, dass seine Kunst nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern die Raumkapazität). Und all die Aufsichten, die sich um die Kunstwerke kümmerten, würden einen Transponder an ihren Dienstsakkos tragen, wie die Kunstwerke selbst, und wenn jemand bei ihnen ankäme, sie wieder anrempelte, würde ein Alarm auslösen, und die Zusatzaufsichten müssten nachsehen, ob an der Aufsicht ein Schaden entstanden sei, und sie müssten zur Entwarnung einen Funkspruch an die Zentrale durchgeben, und im Falle eines Schadens (körperlich, seelisch) müsste die Zusatzaufsicht die zusätzliche Oberaufsicht kontaktieren, die wiederum einen Experten anfordern würde, der sich davon überzeugen müsste, ob und wie der Schaden an meiner freundlichen, finnischen Kollegin zu behandeln sei. Und so sähe der Alltag aus.

Doch, natürlich, ich weiß, das Gedankenspiel ist unvollständig, undurchdacht; es muss es sein. Vom Römer Juvenal bis zu Alan Moores Watchmen, die Frage nach dem Wächter der Wächter hat nie ein Ende; denn wenn es eine Zusatzaufsicht gibt, die alle Aufsichten vor den Massen schützt – wer beschützt dann die Zusatzaufsicht?