Freitag, 26. August 2016

Putins Hund

Vergangene Nacht träumte mir, ich sei der neue, persönliche Assistent von Wladimir Putin. Bei einer Rede am Petersburger Hafen erhalte ich erste Befehle: eine große Menschenmasse mobilisieren und ein bisschen mitschreiben. Ich reagiere verkrampft, voller Ehrfurcht vor der politischen Gestalt, jeden Moment in dem ängstlichen Glauben, fürchterlich bestraft zu werden, sollte ich versagen. Doch entgegen all meiner Vorurteile, da ist Putin kein gewaltvoller Despot, ist er kein launischer Bär. Völlig gelassen nimmt er es hin, dass ich keine Menschenmasse mobilisieren konnte.

Die Tage vergehen, der Frühling zieht ins Land; das Wetter ist gemäßigt, die Luft angenehm. Einmal schneit es und Petersburg wird mit sanftem Weiß bedeckt. Von meinem Schreibtisch aus sehe ich auf die Straße, die Leute gehen in bunten Mänteln über den Asphalt, niemand scheint in Eile.

Mit Putin verstehe ich mich täglich besser. Seine eloquente Ausdrucksweise und leidenschaftliche Literaturfreude steigern mein Selbstvertrauen kontinuierlich. Eines Tages fühle ich mich bereit, ihm einen meiner Texte vorzulesen; eine kurze Parabel mit dem Titel „Putins Hund“. Putin gefällt der Text auf Anhieb, er richtet umgehend eine Diskussionsrunde in einem Palastzimmer ein und wir besprechen meine Geschichte, bis es dunkel wird.

Irgendwann fragt mich Putin, ob der Hund in dem Text tatsächlich existiert. Nein, sage ich, aber wenn er diese Frage aufwirft, hätte der Text bereits ein Ziel erreicht, oder? Daraufhin verfällt Putin in ein langes, denkerisches Schweigen, während mir seine entspannten Gesichtszüge andeuten, mit der Antwort und der Welt zufrieden zu sein.

Als ich aufwache, droht Putin dem Westen und niemand diskutiert meine Texte. – Die gewohnte Vertrautheit der Realität, sie hat mich umgehend wieder.