Ein Junge verliert seine Eltern. Er stammt aus reichem, sehr reichem Haus, er ist der einzige Sohn, der letzte Nachkomme, und als er volljährig ist, wird er alles erben, das gigantische Unternehmen, ein unendliches Vermögen. Er lebt in einem riesigen, geisterhaften Schloss, lebt allein mit seinem Butler, der ihn ständig an das Erbe erinnert, ihn dazu drängt, in die Fußstapfen der Eltern zu treten, das Imperium zu führen. Doch der junge Mann hat sich nie für diese Wahl entschlossen. Er ist nicht einfach reich, er ist unfreiwillig reich; das Vermögen wurde ihm auferlegt, er hat es nicht verdient, er hat es geerbt; weil es keine anderen Erben gab.
Reichtum ohne Verdienst ist eine Last, ein Imperium ohne Willen ein Gefängnis; der junge Mann spürt das, jeden Tag spürt er es, und zunehmend zerbricht er unter einem Geschenk, das er niemals wollte. Er versucht es von sich zu schieben, doch es gelingt ihm nicht; er ist der Name, das Gesicht eines Weltunternehmens, und egal, was er auch tut, egal, welche Summen er verschenkt oder verprasst, das Imperium wird nicht kleiner, sein Vermögen nicht geringer. Das Wissen um das fremde Geld, den anonymen Alltag, den er nie, niemals gegen die Eltern eintauschen kann, es verändert ihn, macht ihn ruhelos, getrieben, stumpft ihn ab, bis er wird, was er nie sein wollte: ein Sklave seiner Privilegien, die Elite der Stadt.
Nur in den Nächten ist er frei. In dunklen Träumen versucht er, seinem Reichtum zu entkommen, er flüchtet sich in finstere Höhlen, zu einer ursprünglichen, geldfreien Existenz, zu den einzigen Lebewesen, denen er sich noch verwandt fühlt: den Fledermäusen. Als Kind haben sie ihn verängstigt und angezogen, jahrelang hat er sie beobachtet, studiert, diese Kreaturen der Nacht, die ihm so viel näher scheinen als das Geschäft des Alltags. In seinen Träumen ist er unter ihnen, wird akzeptiert, mit oder ohne Geld, als wäre er einer von ihnen. Die Verwandlung geschieht abrupt (er kann nicht sagen, wann es passiert ist); früher spürte er die zuckenden Flügelschläge rund um sein Gesicht – jetzt erzeugt er selbst den Flügelschlag. Er flattert, er kreist um den Milliardär, der er früher einmal war, doch er sieht ihn dabei nicht (nicht im eigentlichen Sinne), er lernt, ohne Augenlicht zu sehen, sich in Finsternis zu orientieren. Dunkelheit wird sein Leben, die Nacht sein Verbündeter.
Hin und wieder wird ihn der Milliardär noch besuchen, aber er kommt immer seltener. Er weiß, dass er ihn nicht vermisst; auch nicht seinen Butler, nicht sein Imperium, und schon gar nicht das viele, schwere Geld. In der Nacht ist er niemandem Rechenschaft schuldig. Er ist eine Fledermaus, flatterhaft und leicht.