Es ist heiß. Ich stehe in einem neuen Objekt, und die Luft
steht mit mir, weil es hier keine Ventilatoren gibt, keine Luftbefeuchter,
keine Klimaanlagen. Nichts außer trockener, heißer Luft und 180 Exponaten zur
Familie der Felidae – Katzenkunst in allen Formen beherrscht die neue
Sonderausstellung, hier im letzten Raum des Museums, direkt unter dem Dach
gelegen, und von der Außensonne aufgewärmt zur kunstvollen Hitzekammer, einer
Kultursauna, die auch so aussieht: Eine enge, zugestopfte Sperrholzlandschaft
mit Baustellencharme, die nach Handwerkerschweiß und Kork riecht, dazwischen
ausgestopfte Wildkatzen, gepinselte Fabelwesen und zahllose Raubtierskulpturen,
auf denen ich mir Hitzeflimmern einbilde. Der Kurator wolle mit den
Sperrholzplatten die natürliche Savannenumgebung der Pelztiere nachbilden, so sagt man. Doch naturgetreu erscheinen mir nur die Temperaturen.
Das gute ist, die wenigsten Hausbesucher finden wirklich hinauf
in diese schlecht ausgeschriebene Sperrholzsavanne, und wenn keine Gäste im
Raum sind, darf ich immerhin sitzen. Ich sitze und stelle mir einen Menschen vor, der in einer Sauna steht und sich nicht setzen darf. Mittlerweile zählt es achtundzwanzig Grad.
An einem dieser ruhigen, luftbefreiten Tage sitze ich mit
meiner Kollegin in der Savanne und wir sprechen über Kunst. Oder genauer, sie
spricht mit mir darüber. Mit moderner Kunst könne sie einfach nichts anfangen, sagt
sie. Das sei vielleicht engstirnig, doch sie müsse immer etwas Klares in einem
Bild sehen, wie bei den alten Meistern eben. Die haben noch Geschichten gemalt,
da war immer alles verständlich. Und sie müsse ein Kunstwerk verstehen, wenn
sie es betrachtet, sonst könne sie damit nicht umgehen, so ist das eben.
Nicht zum ersten Mal stoße ich auf diese Einstellung, und
dennoch wirkt sie auf mich immerzu befremdlich, diese beinahe zwanghafte,
selbst auferlegte Verpflichtung, Kunst verstehen
zu müssen. Das Bedürfnis, hinter jedem Pinselstrich den Sinn zu suchen.
Ich verstehe den Sinn dieser Sinnsuche nicht. Dieser Wunsch
nach einem Sinn erscheint mir immerzu ergebnisorientiert, als ginge es bei einem Kunstwerk nur um ein möglichst klares, eindeutiges Resultat,
wie bei einem Fußballspiel. Moderner Fußball, das geht, aber moderne Kunst? Da
sehe ich den spielerischen Aufwand oft gar nicht mehr und das Resultat bleibt meist
abstrakt und rätselhaft, völlig unverständlich. Sinnlos, sich damit zu
beschäftigen.
Es ist interessant zu beobachten, dass ausgerechnet jene Menschen
fordern, ein Kunstwerk zu verstehen, die sich mit Kunst wenig bis gar nicht beschäftigen. Sie
wollen Kunst verstehen, ohne ein Kunstverständnis aufzubringen. Sie setzen eine
Antwort voraus, ohne die Frage zu kennen. Sie suchen Sinn, wo keiner existiert.
Denn an sich ist jede Kunst sinnlos, da sie vom Traum abstammt; vom nächtlichen Traum, der
frei und nutzlos ist, im besten Sinne, und nichts zu verstehen gibt und nichts
hinterlässt, außer einem rätselhaften, persönlichen Gefühl – ein Gefühl, das
für mich dennoch bedeutsamer sein kann als jedes Fußballfinale, obwohl es um nichts
geht, weil es um nichts geht, außer um das Gefühl selbst. Und vielleicht geht es letztlich auch nur darum.