Sie fragt mich abrupt, ob ich Spanisch spreche, was ich
verneinen muss (was ich bedaure), sie schüttelt den Kopf und dreht schnell
wieder ab, doch nicht wegen mir, sondern wegen denen. Wegen den vielen
unruhigen asiatischen Touristen, die man nur im Plural nennen kann, weil es sie
scheinbar nicht einzeln gibt, weil immer schon mehrere von ihnen da sind oder
gerade kommen oder auch wieder gehen, meistens aber alles gleichzeitig.
Ihr Profil ist mit Wut konturiert, im Augenwinkel noch flackert
ihr Ekel über diese Art von Tourismus, der das Erlebnis „Museum“ in ihren Augen
nicht verstanden hat. Nach Monaten stehe ich wieder einmal hier in meinem
Stammobjekt an der goldenen Position, wieder an einem Sonntag (als hätte es
Bedeutung), wieder höre ich die Touristenherde schon von weitem, wieder wirkt
das goldene Liebespaar schüchtern und verlegen hinter seinem Glaspanzer, und
doch ist etwas grundlegend anders an diesem Tag. Es ist der Grund für die
spanische Wut, und es ist tatsächlich kein angenehmer Anblick.
Als die neue Direktion diesen Sommer das Fotoverbot tilgte,
weil es nicht mehr zeitgemäß erschien, da hatte sich niemand laut beschwert,
dachte sich die Kollegenschaft ihren Job noch etwas ruhiger, womöglich, doch
Ruhe ist meist Theorie, und als ich diesen Sonntag in das loderne Feuer der
Spanierin blicke, begreife ich, dass es keinen Adorno braucht, um von dem Anblick dutzender, wie automatisch hochschnellender
Handykameras verstört zu werden, ausgelöst von Leuten, die sich selbst und ihre Nächsten mit dem
Jahrhundertbildnis inszenieren, wobei sie das unbezahlbare Gemälde zu einer
austauschbaren Reliquie degradieren, einer kunstsinnigen, goldenen Ortstafel,
die am Ende nicht mehr anzeigt als: Ich war da.
Wirklich paradox daran erscheint die Beobachtung, dass die
ehrgeizigen Fototouristen sehr viel länger hinter dem Display nach der perfekten Pose suchen, als sie das eigentliche Kunstwerk
frei und ungefiltert betrachten (wofür sie bezahlt haben). Es ist fast so, als wüssten sie nicht, dass ein Gemälde und ein Foto
davon nicht dasselbe sind, und der Geist des Kunstwerks ebenso wenig abgelichtet werden kann wie eine Melodie oder ein Geruch. Ich möchte dennoch Verständnis
aufbringen für diese moderne Museumsauslegung, für diese Mentalität des Speicherns
und Herzeigens, doch es fällt schwer und es tut weh, weil das verbotene Blitzlichtgewitter blendet
und der fehlende Respektabstand das Kunstwerk bedrängt und erniedrigt und mich
in Mitleidenschaft zieht. Der einzige echte Trost ist mir an diesem Sonntag ein einziger Mensch, dem es inmitten der Blitzer und Poser noch viel schlechter ergeht
als mir – und irgendwann reicht es der Spanierin, die hier etwas erleben möchte, das
niemand verstehen kann, die ein Kunstwerk in seiner Unmittelbarkeit und in Ruhe auf sich wirken lassen möchte, sie
brüllt die Herde mit erstaunlichem Organ an, den verfluchten Blitz endlich abzuschalten, mit dem Posieren aufzuhören und „just looking!“ Eine Reaktion bleibt weitgehend aus.