Immer wieder habe ich das seltsame Gefühl, filmisch zu träumen. Also eben so zu
träumen, als befände ich mich in einem interaktiven Filmkunstwerk, mitsamt all
seinen handwerklichen Raffinessen und medialen Markenzeichen, mit seinen sanften Überblendungen, harten Schnitten, dynamisch-rhythmischen Montagen und, manchmal, sogar überstilisierte Zeitlupeneinstellungen, in denen sich das unmittelbare Geschehen wie ein beschwertes
Pendel in bodenlose Langsamkeit zieht.
Doch wie könnte – trotz all dieser Eigenheiten – ein
nächtlicher, unbewusster Trauminhalt jemals filmisch sein? Der Traum existiert
seit Menschengedenken, die Filmgeschichte weist gerade einmal lächerlich kurze
120 Jahre auf. Warum also sollte sich der Traum für eine pubertäre, unreife Erfindung wie den Film interessieren? Was nützte er ihm? Mein Traum kennt kein Filmvokabular, er kennt
nur mich, und auch von mir nicht mehr als mein Unterbewusstsein.
Ich sage, ich träume filmisch, doch im Grunde sage ich
damit das Gegenteil, ich sage, gewisse Filme weisen Merkmale des Traums auf.
Denn der Traum muss immer vor der Kunst stehen und jedes Kunststück muss vom Traum
beeinflusst sein – ganz gleich, ob die Kategorie nun Film, Literatur, Musik oder
Malerei heißt, die Künste werken allesamt nach den Regeln des Traums, bauen
Ängste und Wünsche ab wie Erz und verpacken sie in eine sinnlose Form, die sich
selbst genügt; eine Form, in der ich Bedeutung finden möchte, weil es keine
gibt, und die mich dadurch erst recht zur Suche animiert. Im Schreiben bin ich ein
Sklave meiner Gedanken, im Traum aber bin ich der gedankenbefreite Künstlerautomat,
der sich wie auf Schienen dem Bilderreigen nähert und an sich selbst
vorbeizieht, gleichzeitig Architekt und Tourist seiner eigenen Welt ist, sich mitreißen lässt vom Unterbewusstseinsstrom, der uns Menschen überhaupt
erst ermöglicht, im Wachen zu schöpfen – denn ohne Traum gäbe es keine Ideale und Paradiese, keine göttliche Komödie, keine Erinnerung an schmelzende Uhren, keine dunkle Seite des Mondes, keine kreisförmigen Ruinen,
keinen Bloom’s Day, keine Montage der Attraktion. Jedes Kunstwerk ist eine hilflos beschränkte Annäherung an den Traum, dessen absolute Erfahrung nie vollständig
dargestellt werden kann, weil die verschlafene Erinnerung ihn bereits
abschwächt und zusammenfasst. Zeit seines Lebens wollte er etwas schreiben, dass sich
ganz wie ein Traum anfühlt, sagte Borges einmal. Es sei ihm nicht gelungen, ergänzte er.
Ich sage, ich träume filmisch, weil es mir an präziseren
Worten mangelt, um das vage, unhandliche Traumerlebnis in seine nachträgliche Form zu überschreiben. Die morgendliche Sehnsucht, den Traum im Wachen so wiederzugeben, wie
er sich im Schlaf zeigte, muss stets unerfüllt bleiben; und jedes Kunstwerk muss ein
unvollendeter Traumtransfer bleiben, weil der Traum introvertiert ist und sich
niemandem zeigt, außer dem Träumer selbst. Es gibt nichts Intimeres als den
Traum – und weil der Traum immer privat ist, kann er nie ein äußeres Publikum finden. Nie wirklich.
Das absolute Kunstwerk, es wäre ein öffentlicher Traum.