„Excuse me, what are they doing?“, fragt mich eine
Besucherin mit müder Stimme und deutet auf die großflächige Videoprojektion der
Themenausstellung, die ich neuerdings bewache; eine erstaunliche, erhellende, herrlich
komische und außerordentlich schöne Ausstellung über das Alter und Altern in all seinen
Facetten, ein Konzept, das Malerei, Fotografie und Video selten stimmig
vereint. Ich erkläre der Besucherin mit meinem naiven Enthusiasmus, das Video (in dem
eine galant gekleidete Seniorengruppe einen paarungswilligen Ausdruckstanz
vorführt) sei Teil einer längeren Tanzperformance der berühmten deutschen
Choreografin Pina Bausch. Ich erkläre ihr, das Besondere daran sei, dass alle Tänzer
und Tänzerinnen bereits älter als 65 wären, was damals, zur Entstehungszeit, im Jahr
2000, eine künstlerische Revolution auslöste, weil alte Körper davor nicht als
schön … und das eben das revolutionäre … Ich stocke.
Ein Blick in das Gesicht der Besucherin, er genügt: Sie lauscht
meinen bemühten Ausführungen sichtlich unbeeindruckt und mit einem betonten,
katzenhaften Desinteresse, die Antwort scheint ihr schon sichtlich zu lang und schon
lange zu mühsam; nachdem mein letzter Satz langsam und schwach abebbt, bedankt
sie sich müde und geht weiter in die nächsten Räume, wo der Gesichtsausdruck
bereits wartet.
Es ist immer wieder bemerkenswert, denke ich, wie viel die Betrachtung
eines Kunstwerkes (auch noch des schlechtesten) über den Betrachter aussagt. Die
meisten Gäste schmunzeln, kichern und lachen mit diesen liebenswerten, hüftschwingenden
Tanzpensionisten aus dem Wuppertal, manche lesen sich aufmerksam den Begleittext
zu Pina Bauschs Kontakthof im Kontext
durch, andere fragen mich, was die im Video da tun. Und immer wieder erhalte
ich solche Fragen, als sei ich (wie jeder Museumsaufseher) ein renommierter,
altehrwürdiger Kunstexperte, aber meistens, da folgt der Frage gar kein echtes,
reges Interesse an ihrer Antwort, da wird sie allein deshalb gestellt, um sich selbst
mitzuteilen. Um mir fragend zu zeigen, was sie für sich bereits glaubt zu
wissen. Weil das Urteil bereits feststeht und nur noch fragend verlautbart
werden muss. Und egal, welche Antwort darauf kommt, egal, ob sie gefällt oder
nicht, besonders, wenn sie nicht gefällt – sie wird egal sein.