Ich bin es müde, von mir zu schreiben. Ich tue es, weil ich kaum
Menschen kenne und weil es so viel einfacher ist, als sich fundierte Charaktere
auszudenken und kohärente Texte zu verfassen. Von mir zu schreiben geht immerhin schnell und wirkt spontan, authentisch, obwohl es das natürlich nicht sein kann. Kein Text ist authentisch, weder handgeschrieben, noch gedruckt, weil im Moment der Niederschrift bereits die Distanzierung vom "echten" Leben erfolgt, genau so weit von der Wahrheit entfernt, wie die Hand vom Kopf.
Ich schreibe, obwohl - oder gerade weil - ich keinen Grund dazu habe. Ich bin ein austauschbares Mitglied der Generation Prekär, zu
ambitioniert für einen sicheren, austauschbaren Alltag, zu ängstlich und inkonsequent für die
Ausformung meiner galanten, imaginären Lebensentwürfe. Ich brauche das
Schreiben und ich brauche einen Job. Ich weiß nicht, wie beides geht, also
mache ich nichts davon. Ich stecke im kaputten Fahrstuhl der Unentschlossenheit und
niemand kommt, weil ich den Notschalter nicht betätige; bewusst nicht betätige.
Ich leide unter meiner jungen Arroganz, keinen Vollzeitjob zu
wollen, der mich vielleicht endlich als Teil der Gesellschaft akzeptieren
würde, statt mich ernsthaft zu ignorieren. Denn wer nicht Vollzeit arbeitet, wird nicht für voll genommen. Ich sitze an meinem Schreibtisch, tippe diese Zeilen und bin dabei arbeitslos. Ich verabscheue diese generische Bezeichnung, die sich wie ein Brandmal ins Fleisch prägt und nicht weggeht. Es gibt keinen schlimmeren Beruf, als sich einen Beruf suchen zu müssen.
Ich möchte, ich brauche eine Arbeit, die sich mit dem
Schreiben vereinbaren lässt. Ein Teilzeitmodell, das meine Teilzeitambitionen
trägt. Das mir einen Rhythmus schafft, den ich noch nicht gefunden habe.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich vollkommen unmusikalisch bin.
Vielleicht bin ich unfähig, einen wohlklingenden Lebensrhythmus zu schaffen, weil ich nicht
einmal sagen kann, wie dessen Noten aussähen.