Vergangene Nacht träumte mir, ich
sei der neue, persönliche Assistent von Wladimir Putin. Bei einer Rede am
Petersburger Hafen erhalte ich erste Befehle: eine große Menschenmasse
mobilisieren und ein bisschen mitschreiben. Ich reagiere verkrampft, voller
Ehrfurcht vor der politischen Gestalt, jeden Moment in dem ängstlichen Glauben,
fürchterlich bestraft zu werden, sollte ich versagen. Doch entgegen all meiner
Vorurteile, da ist Putin kein gewaltvoller Despot, ist er kein launischer Bär. Völlig gelassen nimmt er es hin, dass ich keine Menschenmasse mobilisieren konnte.
Die Tage vergehen, der Frühling zieht
ins Land; das Wetter ist gemäßigt, die Luft angenehm. Einmal schneit es und
Petersburg wird mit sanftem Weiß bedeckt. Von meinem Schreibtisch aus sehe ich
auf die Straße, die Leute gehen in bunten Mänteln über den Asphalt, niemand
scheint in Eile.
Mit Putin verstehe ich mich täglich
besser. Seine eloquente Ausdrucksweise und leidenschaftliche Literaturfreude
steigern mein Selbstvertrauen kontinuierlich. Eines Tages fühle ich mich
bereit, ihm einen meiner Texte vorzulesen; eine kurze Parabel mit dem
Titel „Putins Hund“. Putin gefällt der Text auf Anhieb, er richtet
umgehend eine Diskussionsrunde in einem Palastzimmer ein und wir besprechen
meine Geschichte, bis es dunkel wird.
Irgendwann fragt mich Putin, ob der
Hund in dem Text tatsächlich existiert. Nein, sage ich, aber wenn er diese
Frage aufwirft, hätte der Text bereits ein Ziel erreicht, oder? Daraufhin
verfällt Putin in ein langes, denkerisches Schweigen, während mir seine
entspannten Gesichtszüge andeuten, mit der Antwort und der Welt zufrieden zu
sein.