Freitag, 13. Januar 2017

Surroundings

Kafka hatte einen. Pessoa sowieso. Lange Zeit auch Borges. Und vielleicht ist es gar nicht so schlecht, einen schlechten Job zu haben. Er sorgt für Bescheidenheit und Demut, Begegnungen und Ruhe; Dinge, die ohne ihn undenkbar wären. In all meinen schlecht bezahlten Runden durch Museumsräume, Prunksäle und Empfangshallen begleitet mich das Wissen, mich bewusst für diesen karrierebefreiten Teilzeitweg entschieden zu haben, mit dem ich mein Schreiben rechtfertigen kann, ohne das permanente Albtraumgefühl des freien Sozialfalles zu erleben. Ein schlechter Job ist die Voraussetzung, um mir die Arbeit an mir selbst leisten zu können. Denn was wäre Schreiben auch anderes?

Es gibt Dienste, die sind lang, aber niemals langweilig. Langeweile ist die Einbildung eines Geistes, der sich vor der Welt verschließt. Sobald ich aber mit meinen billigen, mäßig polierten Herrenschuhen den ersten Schritt in die exotische Arbeitswelt wage, beginnt sich alles um mich herum zu einer großen Bühne zu wandeln, einer Bühne, auf der immer und immer wieder neue Szenen improvisiert, vorgetragen, variiert und abgebrochen werden. Sie sind meist banal, oft dilettantisch, manchmal herausragend, doch immer faszinierend, und immer liegt in ihnen der Zauber der Unberechenbarkeit, die Ahnung des Konjunktivs, ein Was-wäre-wenn, das jede kleine Geste und jedes Wort begleitet und das nie eingelöst wird; nie eingelöst werden muss. Es genügt, ihre Vorstellung zu sehen.

Der schlechte Job schärft meine Aufmerksamkeit und meine Gedanken, er wirft mich in die Vielfalt der Eindrücke und Schicksale, mitten hinein zwischen den oberen Zehntausend und  Kaffee mit zwei Putzfrauen, zwischen verschwenderischen Galadinnern und ruhelosen Ausstellungshetzern, zwischen Unmengen an vernichteten Gourmetresten und bescheiden belegten Broten, die niemals so gut schmecken können wie in der endlichen Arbeitspause einer hungrigen Schicht.

Kürzlich fragte mich eine ältere, kanadische, knallbunte Museumsbesucherin mit abgewetzter Umhängetasche, ehrlich beglückt von der geballten Biedermeierkunst an den Wänden, ob ich denn gerne hier arbeite. „Yeah“, antworte ich, halb nickend, halb zögernd, „I like the surroundings.“