Kafka hatte einen. Pessoa sowieso. Lange Zeit auch Borges.
Und vielleicht ist es gar nicht so schlecht, einen schlechten Job zu haben. Er
sorgt für Bescheidenheit und Demut, Begegnungen und Ruhe; Dinge, die ohne ihn
undenkbar wären. In all meinen schlecht bezahlten Runden durch Museumsräume,
Prunksäle und Empfangshallen begleitet mich das Wissen, mich bewusst für diesen
karrierebefreiten Teilzeitweg entschieden zu haben, mit dem ich mein Schreiben
rechtfertigen kann, ohne das permanente Albtraumgefühl des freien Sozialfalles
zu erleben. Ein schlechter Job ist die Voraussetzung, um mir die Arbeit an mir
selbst leisten zu können. Denn was wäre Schreiben auch anderes?
Es gibt Dienste, die sind lang, aber niemals langweilig.
Langeweile ist die Einbildung eines Geistes, der sich vor der Welt verschließt.
Sobald ich aber mit meinen billigen, mäßig polierten Herrenschuhen den ersten
Schritt in die exotische Arbeitswelt wage, beginnt sich alles um mich herum zu einer
großen Bühne zu wandeln, einer Bühne, auf der immer und immer wieder neue Szenen improvisiert, vorgetragen, variiert und abgebrochen werden. Sie sind meist banal, oft dilettantisch,
manchmal herausragend, doch immer faszinierend, und immer liegt in ihnen der Zauber
der Unberechenbarkeit, die Ahnung des Konjunktivs, ein Was-wäre-wenn, das jede
kleine Geste und jedes Wort begleitet und das nie eingelöst wird; nie eingelöst
werden muss. Es genügt, ihre Vorstellung zu sehen.
Der schlechte Job schärft meine Aufmerksamkeit und meine Gedanken, er wirft mich in die Vielfalt der Eindrücke und Schicksale, mitten hinein zwischen
den oberen Zehntausend und Kaffee mit zwei Putzfrauen, zwischen verschwenderischen
Galadinnern und ruhelosen Ausstellungshetzern, zwischen Unmengen an
vernichteten Gourmetresten und bescheiden belegten Broten, die niemals so gut
schmecken können wie in der endlichen Arbeitspause einer hungrigen Schicht.
Kürzlich fragte mich eine ältere, kanadische, knallbunte Museumsbesucherin mit abgewetzter Umhängetasche, ehrlich beglückt von der geballten Biedermeierkunst an den Wänden,
ob ich denn gerne hier arbeite. „Yeah“, antworte ich, halb nickend, halb zögernd,
„I like the surroundings.“