Ein Jahr. Solange hält meine museale Teilzeitliaison nun
bereits. Nicht, dass die Zeit schnell vergangen wäre – im Gegenteil: Ich kenne
und empfinde sie nicht, die angebliche Beschleunigung des Alltags, die rasende
Eigenschaft der Digitalisierung. Hier, in meinen zweiten Wohnzimmern, in den
gekühlten Museumsräumen und haushohen Prunksälen meiner Arbeitsziele, da gilt
das postmoderne Eiltempo nicht, da entschleunigt jeder Dienst mein hektisches
Zeitempfinden und relativiert das Verfliegen der Stunden.
Da gibt es Tage, an denen ist ständig etwas los, und dann
wieder andere, an denen ist alles ereignislos, doch immer, ja immer bleibt
Platz für Leerstellen, immer ist die Schicht irgendwo zu lange und immer fließt
die Zeit tief in die Beine, die mit jeder Kontrollrunde und mit jedem
Funkspruch schwerer werden und sich auf die Füße stemmen, die naiv versuchen,
durch die Sohlen zu flüchten und sich dabei unbeholfen verbrennen. Und all das Mühsal
für ein paar Euro mehr, für ein versichertes Stück Ruhe und für das Bewahren
der Erinnerung; dem Erhalt der jahrhundertealten Mauerwerke und Malereischätze,
deren zeitloser Wert gegen die chaotische Flüchtigkeit meiner Zeit ankämpft. Da
stehe ich, mal fünf, mal acht, mal zwölf Stunden auf einer fixen Position, die
ich nicht zu verlassen habe, die ich besetze, kontrolliere und schütze,
solange, bis die Ablöse kommt oder die Tore geschlossen werden. Ich arbeite
nicht für ein Individuum, ich arbeite für ein Objekt. Ich schütze keine Personen,
ich schütze Exponate. Ich stehe nicht zu einer Firma, ich stehe zu einem
Kunstwerk.
Das Erstaunliche daran ist, egal wie lange ich stehe, egal wie
unendlich und mühsam meine Ausstellungsdienste mir in dem unmittelbaren Moment
erscheinen, am Ende sind sie doch niemals wirklich
schlimm. Denn kaum ist die Arbeit vorüber, stellt sich ein befremdlicher,
kurzer Glückszustand ein, eine Erleichterung, die ohne all die Qualen und
Längen der Schicht undenkbar wäre. Es ist eine Art sentimentaler Milde, die
sich immer im Nachhinein einstellt und jede Anstrengung relativiert und verlässlich
abschwächt; egal, wie schlimm, wie körperlich verzehrend und ermüdend die
Arbeit auch ist, in dem Moment, in dem sie endet, ist sie bereits weniger
schlimm gewesen.
Diese Arbeit, das, was ich vordergründig leiste, ist vielleicht
überhaupt weniger ein „arbeiten“, als ein „ausharren“ – eine Probe, ein
Experiment, dessen Belohnung darin besteht, die Freude über sein Ende erlebt zu
haben. Und so ist es mit allen Anstrengungen, die endlich sind, auch wenn sie sich im
Moment nie so anfühlen – am Ende sind acht Stunden im Museum vergangen und die
Füße heben sich wieder aus den Sohlen, das Brennen erlischt im windigen Gefühl,
es geschafft zu haben, und dem
glücklichen Grinsen über die Absurdität dieses ewigen, anstrengenden Kreislaufs, der sich so seltsam
erwachsen anfühlt.
Ein Jahr. Es hätte ein schlimmes, ein furchtbar schweres
Jahr sein können. Vielleicht war es das auch. Wer kann das schon sagen, jetzt,
wo es vorüber ist?