Mittwoch, 28. Juni 2017

Zwei Frauen

Unten, im Kämmerchen, da sitzen sie, neben der Garderobe im Untergeschoss des Fürstenpalais. Sie sitzen im Kämmerchen und warten, bis sie gerufen werden, bis der unheilvolle Funkspruch kommt, der sie blechern „Reinigung“ nennt, es klingt, als würde man den Kellner mit „Gasthaus“ rufen. Sie warten tags, sie warten nachts, sie arbeiten lange und oft noch etwas länger. Wann immer ich an ihnen vorbeigehe, bieten sie mir Kaffee an, ich setze mich in der Pause zu ihnen und staune wieder und wieder über diese Güte, das herzliche Temperament, das immerzu auf Teilen aus ist. Fast werden sie beleidigt, wenn ich mal nach einer Zigarette frage, anstatt mir einfach eine zu nehmen.

Ihr kleines Kämmerchen ist ein Refugium, ein quadratisches Betonzelt, das vor der sozialen Kälte über ihnen schützt, eine isolierte Oase der Ruhe, die nach Kaffeeweißer und Scheuermilch riecht. Wann immer ich an ihnen vorbeigehe, steht ihre Tür weit offen, denn wer nichts hat, hat auch nichts zu verstecken. Ihr Besitz liegt nicht in Taschen oder auf Banken, er liegt in ihren Gesichtern, in ihrem Akzent, in ihren Grimassen. Sie grinsen innerlich über Longdrinks und Lachskanapees der hohen Gäste im Prunksaal über ihnen. Sie grinsen, weil Humor ihre Waffe ist, die sich selbst auflädt, und sind sie einmal ernsthaft verstimmt, verstecken sie ihre schlechte Laune hinter einer inszenierten, noch viel schlechteren, die ihre eigentliche Laune gleich viel erträglicher erscheinen lässt.

Sie waschen, wischen, schrubben, bücken sich, sie atmen künstlichen Citrus und trockene Luft, sie erledigen eine Arbeit, die beißend ungesund ist, die ein langes Leben wissentlich gefährdet; doch sie erhalten keine Gefahrenzulage. Sie gehören zu jener zulagenlosen, unerhört schwachen Sozialklasse, über die gern und oft gesagt wird, sie hätte keine Stimme, damit ihr andere eine verleihen können. Dabei haben sie sehr schöne Stimmen; und sogar verschiedene. Und beim nächsten Mal, sagen sie, fast beleidigt, da solle ich nicht mehr warten, bis sie mir einen Kaffee anbieten, sondern einfach welchen nehmen.