Montaignes Schule ist einfach: genieße und denke und höre
endlich auf, zu jammern. Doch weil alles Einfache unmenschlich schwer zu befolgen ist,
sind die simpelsten Lehren auch oft die einsamsten, und nicht selten werden sie
komplett vergessen und verdreht, wie die Gebote; so auch eine der kürzesten
Schulstunden des Montaigne, seine simple, ernste Aufforderung, lachend die
Wahrheit zu sagen. Denn „nie hat einer, der finster dreinblickt und abstoßend
wirkt, etwas ausgerichtet.“
Die Probe der Zeit sieht das natürlich anders: Die finstere Gegenwart
belächelt dieses Lachen, schmäht das lächelnde Gemüt, das nicht produktiv ist,
das keine Kompetenz ausstrahlt und immer irgendwie als stumpfsinnig oder verdächtig
empfunden wird, während der finstere, steinerne Blick für wahre Autorität in
seinen Worten sorgt. Regelmäßig beobachte ich, wie mein (un)bewusstes Lächeln dagegen nur Verwirrung stiftet, wie eine lachende Antwort auf eine wahllose
Frage im Gegenüber etwas Bedrückendes auslöst, eine Grundskepsis, als fühlte es
sich belogen und betrogen – doch warum sollte ich, sollte irgendjemand im
Lachen lügen? Die Lüge ist vorsichtig, verhalten, immer auf der Hut, enttarnt
zu werden (sie muss es sein). Sie lebt in permanenter Gefahr, in Anspannung
aller Muskeln, in Furcht um ihr baldiges, absehbares Ende – wie könnte sie
dabei entspannt lächeln? Sie tut es eben nicht. Sie ist ernst, allzu ernst, und
steinern lebt sie ein Leben, das alles haben kann; nur ein echtes, ein
wahrhaftiges und befreites Lachen, das muss der Lüge verwehrt bleiben, denn dazu
kann sie nicht fähig sein, ist es niemals gewesen.