Ich sitze im Erinnerungsspeicher meines Kinderzimmers, tief gebeugt über
den buchenen Schreibtisch, und versuche das Gerippe eines Textes mit ein wenig Leben zu umfüllen. Der lilafarbene Stift überarbeitet den Mittelteil meiner Geschichte, ein rückblickendes Beziehungsgeflecht zweier junger Menschen; eine Stelle
scheint mir noch sehr unvollständig, löchrig, doch schon fliegt mir der
entscheidende, der wichtige, der eine Satz zu; der Satz, der ihre gemeinsame Vergangenheit ohne
Wertung, ohne Belehrung auf den endlichen, allumfassenden Punkt bringt.
In dem Moment wird die Zimmertür aufgestoßen, schon an der
Schwelle höre ich die Stimme meiner Mutter, das Mittagessen sei längst fertig
und alle warten schon auf mich, der Kleiderschrank wird aufgerissen, die gebügelte
Wäsche hineinsortiert, schnell und geschäftig, alles noch während sie spricht, und
dann erst dreht sie den Kopf zum Schreibtisch und sieht mich an, erkennt plötzlich, was
ich tue und verzeiht die Störung; es ist zu spät. Der entscheidende Satz ist
mir längst wieder entschwunden.
Als ich aus dem Traum erwache, bleibt nur das Gefühl, etwas
Wichtiges verloren zu haben, das nie wiederkehren wird, ein lilafarbenes Gefühl
der Unruhe und Widersprüchlichkeit, sowie die stille Vorgabe, darüber zu schreiben.